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Wer ist die wichtigste Person am Viereck-Rand? Was war ihre ganz persönliche Hagen-Erfahrung? Und von welchen neuen Trainings-Ideen ist sie total begeistert? Die EM im Blick – das Interview mit der amtierenden U25-Europameisterin Ann-Kathrin Lindner.

• Du stehst zum dritten Mal mit zwei Pferden auf der Longlist für die U25-Europameisterschaft. Wächst der Druck von Jahr zu Jahr? Auch der, den Du Dir selbst machst, vor allem nach Deinem super Erfolg mit Einzelgold im vergangenen Jahr?
Ann-Kathrin Lindner: Ich finde es immer noch total schön, dass ich letztes Jahr Gold gewonnen habe und bin immer noch fasziniert, dass wir das geschafft haben, aber das steht nicht im Vordergrund. Jedes Jahr ist neu, jede Europameisterschaft eine neue Herausforderung, da kann man nichts am letzten Jahr festmachen. Ich habe gelernt, mich von dem Druck frei zu machen. Und ich habe inzwischen viel mehr Erfahrung im Viereck, habe die Prüfungen schon öfter geritten – das nimmt eher den Druck.

• Flatley und Sunfire sind Deine Kaderpartner – wie sieht Dein Training mit ihnen wenige Wochen vor der Europameisterschaft aus?
Ann-Kathrin Lindner: Bei Flatley ist das ‚Schema‘ immer ziemlich ähnlich, er hat das Prüfungsprogramm ja praktisch schon studiert (lacht). Ihn muss ich immer nur schön locker halten und gymnastizieren. Und Fritz (Stallname Sunfire) hatte nach der Deutschen Meisterschaft in Balve ganz gezielt erst mal ein paar Wochen Pause. Erst Anfang Juli habe ich wieder angefangen ihn zu trainieren. Es gibt noch einiges, was ich verfeinern möchte und dafür habe ich auch noch mal neue Ideen mit in mein Training aufgenommen.

• Das macht uns neugierig. Welche neuen Ideen sind das?
Ann-Kathrin Lindner: Ich arbeite mehr mit inneren Bildern. Ich denke bei der Piaffe jetzt beispielsweise an Trab auf der Stelle bzw. an schnelle kleine Tritte, um die Frequenz zu behalten. Oder ich zähle tatsächlich den Rhythmus mit. Wenn man ein anderes Bild von einer bestimmten Lektion vor Augen hat, gibt man automatisch etwas andere Hilfen. Für mich ist es viel einfacher, die Hilfengebung zu ändern, wenn ich eine Vorstellung, ein Bild im Kopf habe, als wenn mir nur gesagt wird, was ich tun soll.

• Und wie ist ‚Dein Trainingszustand‘ aktuell?
Ann-Kathrin Lindner: Ich fühle mich gerade total wohl beim Reiten, sehr entspannt. Und Fritz auch (lacht). Neulich wollte ich mit ihm vor dem Training nur ein bisschen im Schritt bergauf die Wiesenwege hinter unserer Halle hoch reiten und dann per Kurzkehrt umdrehen, da wirft er seinen Hintern hoch und will richtig losrennen. Ganz unkontrolliert habe ich ihn nicht laufen lassen, aber ich bin in den leichten Sitz gegangen, wir sind losgaloppiert und hatten beide Spaß. Er hatte selbst entschieden, dass er sich einmal frei machen möchte. Ich denke, es ist das beste Zeichen, wenn die Pferde so viel Freude haben und dann macht es mir auch am meisten Spaß.

• Flatley ist eher der ruhigere Genosse?
Ann-Kathrin Lindner: Na, das würde ich so nicht sagen (lacht wieder). Mit ‚Flaty‘ ins Gelände zu gehen, ist immer spannend. Aber seit unserem Umzug Anfang des Jahres haben wir mega Ausreitgelände und ich gehe oft mit allen Pferden raus. Als einer der Bauern vor Kurzem sein Feld gemäht hatte, durften wir darauf reiten. Ich habe einige Trainingseinheiten komplett auf der Wiese absolviert. So werden die Lektionen und das Training plötzlich für die Pferde gar nicht mehr anstrengend. Oder ich suche mir einen langen geraden Wiesenweg – davon haben wir hier ganz viele – und übe auf dem schmalen Streifen in der Mitte Serienwechsel. Die Pferde merken selbst, wie sie sich ausbalancieren müssen und der Reiter kann ganz gerade in die Ferne gucken. Am besten übt man das dann noch mit den Zügeln in einer Hand. Danach sind die Wechsel am nächsten Tag in der Halle viel einfacher und sicherer. Oder ich baue an einer Wiesenweg-Kreuzung eine Viertel-Pirouette ein oder oder – im Gelände kann man so viel machen, es hilft so sehr und macht es den Pferden leichter.

• Die EM in Hagen – Du warst schon einige Male in Hagen am Start. An welche Szene erinnerst Du Dich zuerst?
Ann-Kathrin Lindner: Ich war früher schon bei den Future Champions in Hagen am Start und habe mich in dem Viereck immer richtig wohlgefühlt, aber das beste Erlebnisse hatte ich 2020. Bei der internationalen U25-Tour kam ich mit Sunfire aus dem Viereck und war richtig glücklich mit meiner Prüfung. Ich bin zurück in die Abreitehalle geritten, wo Hannah Erbe schon auf die Siegerehrung gewartet hat. Dann hat sie zu mir gesagt, dass sie meine Prüfung durchs Fenster beobachtet habe, dass sie ihr so gut gefallen hätte, alles hätte so leicht ausgesehen. Sie hat richtig geschwärmt. Das hat mich mega gefreut. Sie war ja auch eine Konkurrentin in dem Moment und dass sie mir so was sagt, einfach so von ihr aus, das ist mir total im Kopf geblieben.

• Dein persönlicher Ablauf kurz vor einer wichtigen Prüfung wie ein EM-Start – wie sieht der aus?
Ann-Kathrin Lindner: Eine Stunde vorm Aufsteigen gehe ich in den Stall, aber dann ist schon alles gerichtet. Dann bin ich froh, wenn ich noch kleine Dinge als Beschäftigung erledigen kann, hier mal drüber putzen , da was polieren. Und davor schlafe ich meistens kurz. Das ist bei mir ganz komisch: Je aufgeregter ich bin, umso mehr schlafe ich. Ich glaube, das ist so eine Art Ablenkungsverfahren von meinem Körper. Und wenn ich aufgestiegen bin, dann gibt es nur noch das Pferd und mich. Früher habe ich vor einer Prüfung die Starterlisten studiert und mich verrückt gemacht. Das mache ich gar nicht mehr. Ich gucke mir auch keine anderen Ritte vorher an.

• Wer muss unbedingt am Rand stehen, wenn Du am Start bist?
Ann-Kathrin Lindner: Meine Mutter! Meine Mutter gibt mir immer das Gefühl, dass sie alles im Griff hat, dann bin ich viel weniger nervös. Meine Mutter ist genauso fokussiert wie ich. Ich brauche nur zu denken, dass ich das oder das noch brauche, schon ist sie da. Sie sieht mir das an. Sie ist definitiv am wichtigsten in dem Moment.

• Das dritte Mal im U25-EM-Team, das wäre…?
Ann-Kathrin Lindner: Wenn ich es noch mal ins Team schaffen würde, würde mich das mega stolz machen. Für Deutschland im eigenen Land und dann noch in meinem letzten U25-Jahr – das wäre der Wahnsinn. Aber ob ich es jetzt ins Team schaffe oder nicht: Ich drücke der deutschen Mannschaft alle Daumen. Das Team wird sicher so stark sein, dass die anderen Nationen auf jeden Fall Respekt haben sollten (lacht).

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