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Foto: privat

Geb.: 27. August 1950
Wohnort: Ismaning bei München
Beruf: 3 x 24 Std. täglich Mutter, etwas weniger intensiv Ehe- und Hausfrau ... und vieles mehr


„Ich wollte so gerne ein eigenes Pony, aber stattdessen habe ich von meinen Eltern einen Dompfaff bekommen.“

„Die Grausamkeit in Kindermärchen“ – das war das Thema von Katrina Wüsts Magisterarbeit. Wüst hat Amerikanistik und Germanistik mit dem Hauptfach Kommunikations-Wissenschaften studiert. Und sie hat Exkurse gemacht zu den Themen Psychologie, Pädagogik, Kinderfunk und Werbesprache. „Im Winter habe ich studiert und im Sommer bin ich geritten“, erklärt sie und lacht. „Von München aus bin ich jede Woche zu den Turnieren, beispielsweise in Neumünster, Wiesbaden und Nörten-Hardenberg, gefahren – da war kaum Zeit zu studieren.“ Eigentlich wollte sie Lektorin oder Journalistin werden, aber zwei ‚Dinge’ kamen ‚dazwischen’: die Pferde und die Kinder.
Der Auslöser war die Haushälterin. „Unsere Haushälterin kam vom Nachbarhof von Fritz Thiedemann und hat immer Springen im Fernsehen geguckt, wenn Thiedemann geritten ist“, erzählt Wüst. „Das hat mir gefallen und den Anstoß gegeben.“ Damals lebte Katrina Wüst, geborene Hilger-Henkel, in der Nähe von Düsseldorf. Der einzige Reitstall, den sie per Fahrrad erreichen konnte, war zufällig einer der besten Dressurställe in Deutschland. So hieß ihr erster Reitlehrer, Robert Schmidtke, ein Schüler von Otto Lörke. Auf Schmidtke folgte Hans Hoffmann, wiederum ein Lörke-Schüler. „In dem Stall standen richtig gute Pferde, auch einige Grand Prix-Pferde“, erinnert sich Wüst. „Ich bin ganz normal im Schulbetrieb geritten, aber wenn ich fünf oder sechs Pferde geputzt hatte, durfte ich manchmal auch noch eins reiten.“ Damals war Katrina zehn Jahre alt. „Ich wollte so gerne ein eigenes Pony, aber stattdessen habe ich von meinen Eltern einen Dompfaff bekommen.“ Mit 13 gab es zur Konfirmation dann das erste eigene Pferd: Charly! „Charly war schwer zu reiten.“ Auf Charly folgte Why Not und mit ihm gelang Katrina Wüst der Durchbruch: Als sie 22 war wurde sie mit Why Not in den B-Kader berufen. Das war 1972 und vielleicht waren es auch schon die erste Früchte von der Arbeit mit dem neuen Trainer. Von 1971 bis 1975 trainierte Wüst bei Fritz Tempelmann. „Er war mir auf den Turnieren aufgefallen, weil er seine Schüler so toll betreut hat.“ Mitte der Siebziger verließ Wüst mit ihrem Mann, dem Zahnarzt Dr. Bernd Wüst, die Düsseldorfer Gegend, um für zwei Jahre nach München zu gehen – bis heute sind die Beiden nicht wieder gen Norden gezogen.
In ‚Hoch-Zeiten’ hatte Wüst bis zu sieben eigene Pferde gleichzeitig. Sie hat viele Pferde bis zum St. Georg-Niveau und einige bis zum Grand Prix ausgebildet. „Damals hatten die Pferde eigentlich alle noch ihre Schwachstellen, waren nicht so perfekt wie heute. Daher gab es manchen ‘Durchlaufposten’.“ 1981 baute sich Wüst eine eigene kleine Anlage mit 16 Boxen und einer großen Reithalle in der Nähe von München. Sie nahm einige Einsteller auf und genoss die optimalen Trainingsbedingungen, um sportlich richtig durchzustarten. Aber es kam anders: 1983 wurde Daniel geboren, 1986 folgte Caroline und 1988 Gordian. Tochter Caroline war übrigens einst süddeutsche Pony-Dressurmeisterin, hat inzwischen aber die Reiterei für ihr Jurastudium aufgegeben.
Bis März 2011 betrieb sie ihre Anlage mit zehn Hektar Land, dann verkaufte sie und zog mit Familie in ein Haus im Münchner Vorort Ismaning. Den Auslöser zum Richteramt brachte ein Unfall. In Neumünster wurde sie 1975 von einem jungen Pferd getreten, erlitt einen Kieferbruch und musste mit schwerer Gehirnerschütterung ein halbes Jahr mit dem Reitsport aussetzen. „Damals habe ich die Zeit genutzt und habe meine Richterlaufbahn angefangen. 1979 war ich dann M-Richterin. Nach meinem dritten Kind habe ich die Laufbahn 1988 weiter verfolgt und bin seit 1994 internationale Richterin. Meinen O-Status habe ich 2006 bekommen.“ Inklusive Omaha 2017 hat sie bisher fünf Weltcup-Finals gerichtet, saß bei der Europameisterschaft 2009 in Windsor am Richtertisch und war Chefrichterin bei der EM 2015 in Aachen. Aber sie betont: „Genauso wie die Weltcup-Finals oder ein Championat kann ich auch das Richten einer Pony-Euro genießen. Ich habe da keine Präferenzen.“ 2009 und 2010 gehörte sie zur FEI Dressage Task Force, war lange Jahre in Bayern Richterreferentin und hat sich einen internationalen Ruf als Kür-Spezialistin erworben. „Ich war schon immer künstlerisch angehaucht. Ich wurde in meinem Elternhaus stark musikalisch geprägt, habe acht Jahre Klavier gespielt und war immer ein Musikfreund. Ich interessiere mich außerdem für bildende Kunst und habe immer gerne gestaltet.“ Seit 1979 sitzt sie in FN-Arbeitskreisen für Dressuraufgaben. Dort war sie stark involviert, wie auch bei der FEI, wenn es um die Erstellung neuer Aufgaben geht. „Das macht mir Spaß – kreativ zu sein und dabei meine reiterlichen Erfahrungen von sehr vielen verschiedenen Pferden einzubringen.“ Neben aller Kreativität ist Wüst ein rational denkender Mensch. „Ich habe immer gerne analysiert, warum den Menschen etwas gefällt.“ All das zusammen, ihre Kreativität, ihre Freude an Musik, die reiterlichen Erfahrungen und die Erfahrungen als Choreographin von Dressuraufgaben, machen sie zur prädestinierten Kürspezialistin.
Ihr Wissen teilt Wüst in Form von Richter- und Kür-Seminaren in vielen Ländern mit. Zugute kommen ihr dabei auch ihre Sprachkenntnisse. Sie richtet und trägt in vier Sprachen vor: deutsch, englisch, italienisch und französisch. Im Mai 2017 wurde sie für ihr unermüdliches Engagement im Dressursport mit dem Deutschen Reiterkreuz in Silber ausgezeichnet.
An 25 Wochenenden im Jahr sitzt sie im In- und Ausland am Richtertisch. Weil sie so viel unterwegs ist, hat sie heutzutage nur noch zwei Rentnerpferde und ein Reitpferd, ein Pony. „Das ist herrlich. Das ist ein richtig gutes Pony, auf das ich keinen anderen lasse. Aber wenn ich mal ein paar Tage nicht da bin, macht ihm das auch nichts aus, wenn er nicht geritten wird.“

 

 

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