Nächste Woche startet für die meisten Kaderreiter und sehr viele Zuschauer die Grüne Saison in Hagen – ein kleiner Gedankenausflug von Kim Kreling…
Wer das Weltcup-Finale in Omaha gerade verfolgt hat, hat vielleicht den ein oder anderen sehr speziellen Moment wahrgenommen: Als Jessica von Bredow-Werndl im Grand Prix beim Rückwärtsrichten ihre Dalera nur ganz sanft mit dem Zeigefinger berührt hat, um ihr Ruhe zu geben. Als Isabell Werth mit Quantaz in der Kür aus der Piaff-Pirouette nahtlos in die Galopp-Pirouette übergeht und knapp zwei Minuten an derselben Stelle wieder aus der Galopp-Pirouette zurück in die Piaff-Pirouette findet. Oder als Ingrid Klimke mit Franziskus in den Grand Prix einreitet und in stilistischer Perfektion mit ihren immer aufrechten Händen und unsichtbarer Hilfengebung zur Grußaufstellung kommt. Das sind Momente höchster Dressurkunst. Momente, die nur durch ‚Feine Kommunikation‘ möglich sind.
In solchen Momenten denke ich gerne an Reitmeister Jean Bemelmans, der mir mal eine sehr schöne kurze Geschichte erzählte:
„ Ich beobachte Pferde sehr gerne. Wie gehen sie miteinander um? In Spanien habe ich dabei mal etwas sehr Interessantes erlebt. Da war eine Weide voller Stuten und eine voller Hengste. Einer der Hengste ging zum Zaun, die anderen haben gegrast. Der Hengsthalter erzählte mir, dass die Hengste einmal untereinander geregelt hatten, wer der Chef ist – seitdem war Ruhe. Der Chef durfte zum Zaun, die anderen nicht. Sobald andere Hengste in die Nähe des Zauns kamen, hat der Chef nur den Kopf gehoben und schon sind die anderen zurückgewichen. In dem Moment habe ich gedacht: ‚Guck mal, wie fein Pferde miteinander kommunizieren.‘ Das muss auch unser Ziel beim Reiten sein.“
Ein Held, wem diese feine Kommunikation mit seinem Pferd gelingt. Ein Glücklicher, der solche Momente als Zuschauer erleben darf. Und schade, dass solche Momente von einigen Menschen gar nicht bewusst wahrgenommen werden. Vielleicht kann die kleine Geschichte von Jean Bemelmans helfen, noch bewusster auf solche Momente mit dem eigenen Pferd hinzuarbeiten und sie bei anderen noch bewusster zu genießen.
In der optimistischen Erwartung, dass wir alle sehr viele solcher herausragenden Momente in der dressursportlichen Grünen Saison 2023 erleben werden,
Ihre
Kim Kreling