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Für 74 Prozent der Entscheider spielt der internationale Dressursport keine oder fast keine Rolle! Ein Kommentar von dem Dressurausschuss-Vorsitzenden Klaus Roeser

Ich möchte mal ganz plastisch anfangen. Sie stimmen in Ihrer großen Familie darüber ab, was es am nächsten Tag zum Mittagessen geben soll. Drei Stimmen für Nudeln, fünf für Kartoffeln. Ganz klar, die Kartoffeln haben gewonnen. Dann stellt sich aber heraus, dass vier der fünf Kartoffelwähler am nächsten Tag gar nicht zum Mittagessen zu Hause sein werden. Sie betrifft die Wahl des Essens rein gar nicht.
So ähnlich werden Entscheidungen den internationalen Dressursport betreffend gefällt. Entscheidungen, die sehr viel weitreichender sind als das nächste Mittagessen!
Bekanntlich pocht der internationale Dachverband, die FEI, immer darauf, dass alle wesentlichen Entscheidungen in demokratischen Prozessen getroffen werden, sei es durch Wahlen oder Abstimmungen innerhalb der Gremien. Das Kernproblem ist aber, dass eine nicht unerhebliche Reihe von Ländern, in denen der Dressursport keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt, maßgeblichen Einfluss auf unseren Sport ausüben und über seine zukünftige Ausrichtung entscheiden.
In Zahlen sieht das so aus: Von den auf der FEI Homepage angegebenen 136 stimmberechtigten Mitgliedsverbänden haben 61 Nationen kein einziges FEI-registriertes Dressurpferd und auch kein einziges FEI-registriertes Dressurevent. Das bedeutet: 45 Prozent der Stimmen, die bei der FEI über Prozesse des internationalen Dressursports entscheiden, haben sportlich nichts mit internationaler Dressur zu tun.
Hier entscheiden Personen oder Gruppen über Dinge, von denen sie wenig bis keine Ahnung haben, deren Entscheidungen sie gar nicht betreffen und auf sie keinerlei Auswirkungen haben. Hier ist das Maß ebenso aus dem Gleichgewicht geraten wie der Grundsatz, dass die Konsequenzen meiner Abstimmung auch für mich gelten müssen. Simpel ausgedrückt, bestellen darf ich, bezahlen müssen andere.
Nun möchte ich diesen Ländern nicht das Interesse am Pferdesport absprechen und würde mich freuen, wenn der Pferdesport und besonders der Dressursport, noch mehr an Bedeutung gewinnen würde. Doch dass diese Länder, denen der Dressursport eventuell völlig gleichgültig ist, weil sie ganz andere Prioritäten verfolgen, darüber entscheiden, in welche Richtung sich unser Sport entwickelt, kann nicht im Sinne des Sports, der Pferde, der Aktiven und der Veranstalter sein.
Noch mehr Zahlen: Weitere 39 stimmberechtigte Mitgliedsverbände der FEI haben weniger als 10 FEI-registriertes Dressurpferde, das entspricht noch einmal 29 Prozent. Lediglich 36 Nationen sind tatsächlich nennenswert am internationalen Dressursport beteiligt.
Fazit:
100 von 136 Nationen haben kein oder weniger als 10 international eingetragene Dressurpferde, das entspricht 74 Prozent aller Stimmberechtigten! Sie alle entscheiden über den Sport, der faktisch nur in 26 Prozent der Nationen tatsächlich betrieben wird.
Keinem Mitglied sei sein generelles Stimmrecht verwehrt, aber vor dem Hintergrund von dringend notwendigen Entscheidungen muss die Frage gestellt werden: Macht dieses System Sinn? Ist dieses System fair?
Warum nicht bei disziplinspezifischen Entscheidungen eine differenzierte Stimmengewichtung einführen? Dann wäre eine gewisse Balance zwischen Rechten und Pflichten wieder gegeben.
Das würde unserem Sport, den Pferden und seinen Protagonisten sehr gut tun. 

 

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